Die Tech-Welt rund um San Francisco, bis vor kurzem eine ziemlich unpolitische Blase, ist aufgewacht. Silicon Valley macht mobil gegen Donald Trump.
Lauren ist Personalerin bei einem großen Tech-Unternehmen in der Bucht von San Francisco und Feministin. Am 28. Januar, einen Tag nachdem Donald Trump einen Einreisestopp für Muslime aus sieben Ländern verhängte, reicht es ihr. Lauren startete auf der privaten Plattform "Meetup" die Gruppe „Women in Tech against Trump“, inzwischen hat sie 83 Mitglieder. Am 20. Februar, ausgerechnet am President’s Day, Feiertag in ganz USA, wollen sie sich zum ersten Mal treffen. „Gerade wir Frauen müssen unsere Stimme erheben gegen all diese Hassbotschaften an Minderheiten, die Donald Trump aussendet. Wir wollen politisch aktiv werden und das nicht nur auf nationaler Ebene, sondern auch konkret hier im Silicon Valley.“, plant Lauren. Eine der ersten, die sich angemeldet hat, ist Michele Coleman. Die Datenanalystin aus San Jose sagt, sie habe sich noch nie vorher politisch engagiert, aber dieser sich ausbreitende Faschismus - sie nennt es wirklich so - mache ihr solche Angst, dass sie nachts nicht mehr schlafen könne. „Ich habe viele betroffene Kollegen. Ich weiß zwar noch nicht was, aber ich muss etwas tun.“, so Michele. „Wir brauchen doch all diese Leute aus dem Ausland, gerade hier im Silicon Valley, sie sind der Schlüssel unserer Industrie."
Trumps Muslimbann, inzwischen von mehreren Gerichten ausgesetzt, hat die Branche wachgerüttelt. Gerade haben sich 130 der bekannten Namen - darunter Apple, Facebook, Microsoft, Google und Uber - zusammengetan und eine Stellungnahme an das Gericht in San Francisco geschickt. Dort geht der Rechtsstreit um den Einreisestopp in die nächste Runde. Trumps Dekret „verletze die Einwanderungsgesetze und die Verfassung“, schreiben die CEO’s des Silicon Valley. Das haben sie persönlich genommen. Denn Inklusion und Globalisierung sind der Grund, auf den das Silicon Valley gebaut ist. Steve Jobs war der Sohn syrischer Einwanderer, Google-Gründer Sergei Brin kam mit seinen Eltern als Flüchtling aus der damaligen Sowjetunion. Die Hälfte aller US-Startups, die mehr als eine Milliarde Dollar wert sind, wurden von Migranten gegründet. In Cupertino, Apple's Heimatstadt, ist jeder zweite Einwohner im Ausland geboren.
Im Google-Hauptquartier im kalifornischen Mountain View protestierten vergangene Woche um die eintausend Mitarbeiter gegen Trumps Einreisebann. „Ein Google, eine Welt“ oder „Tech kennt keine Mauer“, stand auf ihren Plakaten.
Die meisten großen Firmen bieten ihren betroffenen Mitarbeitern Rechtsbeistand an. Doch vor allem junge Startups stellt die Visa-Unsicherheit vor existentielle Probleme. Husayn Kassai, geboren in Manchester mit britisch-iranischem Doppelpass, ist erst vor einem Jahr mit seiner Firma onfido ins Silicon Valley gekommen, um in die USA zu expandieren. „Mein Mitgründer ist Iraker und sitzt in London. Wir wissen nicht, ob er in nächster Zeit hierher kommen kann. Ich brauche ihn aber hier fürs Geschäft.“ Kassai selbst müsste eigentlich dringend auf Dienstreisen nach Mexiko und Australien gehen, doch aktuell wagt er es nicht, die USA zu verlassen. „Die Regeln haben sich über Nacht geändert. Wer sagt, dass das nicht wieder passieren kann? Ich will erst von den Anwälten hören, dass ich auch sicher wieder einreisen kann.“ Er habe bereits zehn Jobs in den USA geschaffen und wolle weiter wachsen. "Aber wenn Gründer nicht mobil sein können, dann können sie keine Firma führen.“, so Kassai.
Doch es könnte noch viel drastischer kommen. Denn die neue Regierung hat angekündigt, auch die Vergabe sogenannter H-1B-Visa zu überprüfen, die gängigsten Arbeitsvisa, mit denen Tech-Firmen Mitarbeiter aus aller Welt ins Land holen können, darunter sind auch viele Deutsche. Ein Einschnitt hier träfe ins Herz des Silicon Valley. Twitter, Airbnb, Amazon, sie alle sind darauf angewiesen, Softwareexperten aus aller Welt anzuziehen, ihnen Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisse beschaffen zu können.
Anwälte wie Gali Gordon in San Francisco, spezialisiert auf Einwanderungsrecht, werden seit Tagen mit Emails und Anrufen aus der Tech-Welt bombardiert. „Alle hier sind hochalarmiert“, so Gordon, „Die Firmen fürchten zurecht, dass es schwieriger werden wird, ausländische Talente zu holen.“ Gordon fürchtet, dass Trumps Ausländerfeindlichkeit das Silicon Valley für immer verändern könnte: „Solche legalen Hürden werden dazu führen, dass Technologiefirmen in geschäftsfreundlichere Länder ausweichen und das könnte der Dynamik des Valleys massiv schaden.“
Tesla-Chef Elon Musk, der als Wirtschaftsberater in Donald Trumps Team sitzt, hofft offenbar, dass man den Präsidenten noch bekehren könne. Auf twitter schreibt Musk: „Ich verstehe, dass manche dagegen sind, dass ich an diesen Meetings teilhabe. Aber ich glaube, in diesen Zeiten bringt es mehr, sich in kritischen Fragen einzubringen.“ Genau das glauben andere nicht, wie Jonathan Nelson von Hackers/Founders, dem weltweit größten Verein von Gründern mit 200.000 Mitgliedern in 44 Ländern. „Ich habe null Hoffnung, dass man Trump irgendwie umdrehen kann. Ich glaube, er versteht einfach gar nichts vom Silicon Valley. Wir müssen einfach sehen, dass wir irgendwie um ihn herum arbeiten."
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