Singularität, auf englisch Singularity, beschreibt den Moment in der Zukunft, wo die künstliche Intelligenz die menschliche erstmals übersteigt. Darauf sollten wir uns alle vorbereiten, raten die Denker von der Singularity University im Silicon Valley. Und gehen mit ihrer Tech-Philosophie auf Tournee: Ende April findet in Berlin der erste Singularity Germany Summit statt.
98 Führungskräfte aus 44 Ländern sitzen dicht gedrängt im großen Schulungsraum der Singularity University im Silicon Valley, auf den Tischen liegt Lego und anderes Brain-Spielzeug. Jeder hier hat 14.000 Dollar dafür bezahlt, sich sechs Tage lang für die Zukunft briefen zu lassen. Um dann zu hören:
“Ich als CEO träume davon, dass eines Tages eine Form von Künstlicher Intelligenz den Großteil meines Jobs erledigt.” Rob Nail, Chef der Singularity University, arbeitet offenbar gezielt an seiner eigenen Abschaffung. “Ich glaube, dass 70 bis 80 Prozent der Entscheidungen, die ich jeden Tag treffe, auch von einem Algorithmus getroffen werden könnten. Wir könnten die Plattform so programmieren, dass sie genauso gut entscheidet wie ich, wenn nicht sogar besser.”, glaubt Nail. Einfach, weil er manchmal vergesse, Mittag zu essen und dann hungrig Entscheidungen sehr kurzentschlossen treffe und auch nicht besonders nett sei dabei. “Jeder Roboter würde das sehr viel konsistenter machen.”, so Nail.
Think Big ist das Motto der Singularity University, die sich 2008 unter anderem mit dem Geld von Google, Autodesk und Genentech auf dem NASA-Forschungsgelände gegründet hat. Mit exponentiellen Technologien sollen die weltweiten Herausforderungen wie Energie und Jobs, Bildung, Weltraum und Medizin angegangen werden. Eine Art Thinktank, der zugleich Ausbilder und Startup-Accelerator ist. Immer wieder werden die Teilnehmer des Executive Programs aufgefordert: “Denkt zehnmal größer! Was ist Euer Flug zum Mond?”
Und bitte keine Angst vor neuer Technik: “Kaufen Sie sich einen Telepräsenz-Roboter, damit Sie von überall auf der Welt mit ihrem Team kommunizieren können, als wären Sie selbst im Raum.”, lautet ein Ratschlag. Oder: “Hören Sie auf, die Nachrichten zu schauen. Die Welt ist viel besser, als uns die Medien weismachen wollen. Wer eine negative Weltsicht hat, investiert nicht in die Zukunft.”, sagt Peter Diamandis, Luftfahrtingenieur und Mitbegründer der Singularity University.
Die Executives erfahren: Jede Industrie ist im Moment anfällig für Disruption, was soviel heißt wie Störung, Unterbrechung und für das Prinzip steht, Märkte anzugreifen und Marktführer zu verdrängen. “Entweder Ihr disrupted Euch selbst oder Ihr werdet disrupted.”, lautet die immer wiederkehrende Warnung.
Auch ein deutscher Manager nimmt an dieser Brainstorm-Woche im Silicon Valley teil: Martin Hofmann, IT-Chef bei Volkswagen. “Die ganze Autobranche erfährt gerade Disruption, da müssen wir jetzt in den Angriffsmodus gehen, auch wenn viele Angst haben vor Veränderung.” Hofmann nennt das Digital Mindset hier ein “Erweckungserlebnis” und mit Blick auf den Diesel-Skandal sagt er: “Immer wenn ein Unternehmen in der Krise steckt, ist es leichter, neues Denken einzuführen.” So plant VW eine langfristige Zusammenarbeit mit den Experten aus dem Silicon Valley und wird gleich mehrere Führungskräfte nach Berlin schicken, wenn die Singularity University am 20./21. April ihren ersten deutschen Summit abhält.
Ein "Happening mit hoher Lernkurve” wird da für zwei Tage versprochen, gut 400 von 500 Tickets á 1999 Euro sind schon verkauft. Telefónica, Linde, die Deutsche Telekom - sie alle wollen Silicon Valley-Luft schnuppern, ohne dafür die Reise an die US-Westküste machen zu müssen. Die Singularity-Vordenker fliegen ein, um die Deutschen auf den letzten Stand zu bringen in Sachen Mobilität, Robotik, 3D-Druck, maschinelles Lernen und Design Thinking.
Neil Jacobstein, der Guru für Künstliche Intelligenz an der Singularity University, rechnet in etwa für das Jahr 2030 mit dem Erreichen der Superintelligenz. Das wird eine ganz neue Arbeitswelt, verspricht er den Managern: “Künstliche Intelligenz ist rund um die Uhr verfügbar, wird nie krank, braucht keinen Urlaub und jammert nicht.” Natürlich wird es auch Nachteile geben, weiß Jacobstein, vor allem durch den Wegfall der vielen Routine-Jobs, die dann durch Roboter erledigt werden. “Aber der Mensch ist anpassungsfähig.”, so Jacobstein. "Wir werden neue Jobs erfinden, auch wenn da natürlich eine Diskrepanz bleiben wird.”Die Menschheit auf diese Umbrüche vorzubereiten, darin sehen die Experten um Jacobstein ihre Mission.
Als schließlich während des Workshops die Rede davon ist, dass unser Gehirn sich in etwa 15 Jahren mit der Cloud verbinden lassen wird, der Mensch also dann praktisch das gesamte Google-Wissen im Kopf haben könnte - da geht dann doch ein Schaudern durch den Seminarraum.
Dieser Artikel erschien via dpa u.a. hier: sueddeutsche.de, spiegel.online, ZDFheute.de.
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