Die German International School of Silicon Valley lässt sich als eine Art Labor des mächtigsten Tals der Welt begreifen.
Das Kind lernt hier nicht nur Englisch, sondern etwas viel Wichtigeres: Wie Mama und Papa mit Leuten aus aller Welt die Zukunft miterfinden.
Das Google-Headquarter ist nicht mal fünf Kilometer entfernt. Oder sechs Minuten im
selbstfahrenden Auto. Deutscher Schüler im Silicon Valley zu sein, das bedeutet, dass man nur gelangweilt guckt, wenn der Prototyp von Google - ganz ohne Lenkrad - neben einem an der Ampel hält.
Es normal zu finden, dass Mama im Supermarkt die Einkäufe an der Roboterkasse bezahlt: Kein Verkäufer mehr zu sehen hier. Die German International School of Silicon Valley, kurz GISSV, hat mittlerweile schon drei
Campi: in San Francisco, in Berkeley und eben in Mountain View, der Google-Stadt. Die Schule wächst und wächst und wächst. Und besteht dabei nur aus den US-typischen einfachen Baracken, nicht mal
einen ordentlichen Sportplatz gibt es.
Warum wollen alle “German Curriculum” auf Englisch?
Nur etwa die Hälfte der 600 Schüler hier hat deutsch-deutsche Eltern. Dann ist meistens Papa von Siemens, SAP oder Bosch geschickt worden. Damit Deutschland nicht den Anschluss verliert an die digitale Zukunft. Axel Gern zum Beispiel forscht im Silicon Valley für Mercedes Benz am selbstfahrenden Auto. Seine Familie hat er mitgebracht. “Die deutsche Schule hat unseren Kindern den Wechsel leicht gemacht und hält uns eines Tages auch den Weg zurück offen, einfach weil die Kinder auf Englisch, aber nach deutschem Lehrplan unterrichtet werden.”, sagt Regine Gern.
Doch dies ist keine der typischen Expat- oder Diplomaten-Schulen, wo es meist nach drei bis fünf Jahren im Ausland zurück in die Heimat geht. Viele der deutschen Eltern kommen mit ihren Kindern auf eigenes Risiko ins Valley, haben als Locals direkt bei den großen internationalen Tech-Firmen angeheuert und wollen möglichst lange bleiben, vielleicht sogar für immer. Beim Schul-Barbecue stehen sie dann zusammen: Der deutsche Big Data-Director von LinkedIn, die ebay-Finanzfrau, der Stanford-Krebsforscher. Während ihre Kinder soccer spielen; echten europäischen Fußball, nicht American Football. “Wir haben hier viele Executives bei den Elternabenden sitzen.”, weiß Martin Fugmann, der Schulleiter, "Aber weil in Kalifornien alle kurze Hosen und Flipflops tragen, merkt man es nicht so.” Alle Eltern seien extrem bildungsorientiert, so Fugmann, “hierher kommen ja nur Leute, die was wollen. Und diese Goldgräberstimmung überträgt sich 1:1 auf die Schule.”
Philippe, 6, zum Beispiel gehört zu den vielen Kindern an dieser deutsch-internationalen Schule, die eigentlich gar keine deutschen Wurzeln haben. Die Mutter ist Russin, der Vater Amerikaner und Spezialist für IT-Sicherheit. Warum schicken sie Philippe ausgerechnet auf die deutsche Schule, wo es doch im Silicon Valley an guten Privatschulen nur so wimmelt? “Wir haben auf lange Sicht gedacht”, gibt Kevin Bocek zu, “Die Welt braucht in Zukunft vor allem gute Ingenieure. Und wo werden die nun mal gemacht? In Deutschland. Wir wollten Philippe mit der deutschen Sprache ein weiteres Fenster aufmachen.”
Auch Daris’ Familie ist einheimisch im Silicon Valley, wenn es so etwas überhaupt gibt hier. Mutter und Vater Iraner, seit 2001 in den USA. Beide Eltern sprechen kein Deutsch; wenn sie ihrem Erstklässler bei den Hausaufgaben helfen wollen, müssen sie immer erst Google Translate fragen. “Aber vielleicht kann Daris dann eines Tages in Deutschland studieren!”, hofft Arezou Khatibi, die Mutter, selbst Chip-Designerin im Silicon Valley. Sie schätzt die Gemeinschaft, die Elternpicknicks, den deutschen Weihnachtsmarkt, den die Schule jährlich in der Stadt organisiert: “An den amerikanischen Schulen gibt es kaum Kontakt zwischen den Familien."
Schulleiter Fugmann fährt ganz kalifornisch mit dem Elektroauto vor. Während er seine Schule managt, lädt sein e-Golf auf dem Lehrerparkplatz wieder auf. Fugmann hat das Konzept “eSchool21” installiert, will damit den Silicon Valley-Spirit in die Schule holen: Schüler und Lehrer nutzen free Wifi, in jedem Klassenraum hängen Smartboards - hier macht sich niemand mehr die Finger mit Kreide schmutzig -, ab Klasse 5 bekommt jeder Schüler ein iPad für den Unterricht und ab der siebten Klasse bringt jeder sein eigenes Laptop mit. “Facebook und Minecraft sind gesperrt”, so der Schulleiter. “Aber der Computer ist für uns in jeder Stunde ein ganz normales Unterrichtswerkzeug.” Die Älteren verabreden sich nachmittags für Hausaufgabenprojekte zu Videokonferenzen. “Ich habe keine Angst vor Google”, sagt Fugmann, “ich arbeite mit denen zusammen. Google bietet bei uns eine Programmier-AG an."
Die Konkurrenz der Schulen im Valley ist groß: Da passiert es, dass zum Tag der offenen Tür junge Eltern mit Kinderwagen auf dem Schulhof stehen und fragen: “An welcher Elite-Uni kann mein Kind studieren, wenn es bei Ihnen die Schule durchlaufen hat?” Zum Beispiel Stanford, sagt Fugmann dann und verweist auf Stefano, einen seiner ersten Abiturienten, der es an die nahe gelegene Spitzenuniversität geschafft hat.
Tobias Klein ist 17 und seit drei Jahren an der GISSV, sein Vater kam mit Siemens her. Im nächsten Sommer wird Tobias seinen Doppelabschluss machen: Das deutsche Abitur und das amerikanische Highschool-Diplom. “Als ich in der neunten Klasse hier ankam, hab ich erstmal nur Bahnhof verstanden. Das bisschen Schulenglisch aus Deutschland hat mir da echt wenig geholfen.” Heute spricht er fließend und findet am besten, “dass hier alles viel schneller geht: Wir können nachmittags unserem Lehrer eine E-Mail schreiben und kriegen noch am selben Tag eine Antwort!” Studieren aber will Tobias wahrscheinlich wieder in Deutschland: “Ist billiger als hier.” Wie auch immer er sich entscheidet, beide Welten werden ihm offen stehen.
GISSV in Kürze:
- Gegründet von einer Elterninitiative als rein deutsche Schule im Jahr 2001 mit nur 34 Kindern.
- Seit 2004 internationale Schule mit bilingualem Programm.
- Versprochen wird "Das Beste aus zwei Welten": Die Schüler lernen nach dem Thüringer Lehrplan und müssen zugleich kalifornische Standards erreichen.
- Die private Auslandsschule wird vom Auswärtigen Amt gefördert, aber auch die Eltern müssen tief in die Tasche greifen: Ein Ganztagesplatz kostet bis zu 23.000 Dollar im Jahr. Dazu werden eine Spende für den Schulfonds sowie 20 Stunden ehrenamtliche Arbeit pro Familie erwartet.
- Neben der GISSV gibt es im Silicon Valley noch die “German American School” sowie zehn deutsche Samstagsschulen. Auch die frisch gestartete “AltSchool”, finanziert von facebook-Gründer Mark Zuckerberg, hat einen deutschsprachigen Zweig. Und auf Jobportalen rund um San Francisco dringend gesucht: German Teacher.
Dieser Text ist (in leicht veränderter Form) u.a. bei Focus online erschienen.
Tina (Sonntag, 11 Oktober 2015 21:20)
Anmerkung:
es werden aber keine Vollzeit-Deutschlehrer für amerikanische Highschools gesucht (oder von den beiden deutsch-(amerikanischen) Schulen), sondern Honorar-Teilzeitkräfte für die Samstags- oder Nachmittagsschulen.
Wo man dann ein Taschengeld verdienen kann - nicht mehr.