Ein Haus für 5000 Dollar Miete im Monat. Kein Problem, wenn man 300.000 Dollar im Jahr verdient - wie die Top 20 Prozent der Haushalte in der San Francisco Bay. Aber wenn man Reinigungskraft oder Bauarbeiter ist? Dann droht die Zwangsräumung. Die ersten wehren sich. Hier mein Bericht aus der Google-Stadt Mountain View für ZDFheute.de:
Leticia Rios weiß nicht, ob sie eine Zukunft im Silicon Valley hat. Ende August fand sie die Nachricht ihres Vermieters, einfach an die Haustür gepinnt: “Der Mietvertrag wird beendet. Sie haben 60 Tage Zeit, die Wohnung zu verlassen.” In den Monaten zuvor hatte die sechsköpfige Familie schon nur noch Monatsverträge bekommen und jedesmal war dabei die Miete angehoben worden: von 1100 Dollar (973 Euro) auf zuletzt 2000 Dollar. Für ein Appartment mit zwei Schlafzimmern. Leticia und ihr Mann schlafen schon immer auf dem Wohnzimmersofa. Sie ist Kinderfrau, betreut täglich die zwei Kinder einer indischen Familie, 800 Dollar bekommt sie dafür. Ihr Mann ist Kellner, hat zwei Jobs. Zusammen haben sie etwa 2400 Dollar.
“Jetzt müssen wir schnell etwas Neues finden, aber es gibt nichts mehr auf dem Markt für uns.”, sagt Leticia, “Denn wenn man auf Wohnungssuche geht, muss man nachweisen, dass man das Dreifache der Miete verdient.” Nun denkt die Familie darüber nach, das Silicon Valley zu verlassen, Richtung Nevada vielleicht. Doch die Kinder gehen hier zur Schule, wollen auf keinen Fall weg.
Ein Check auf einem Immobilienportal ergibt: Das günstigste 2-Schlafraum-Appartment in Mountain View kostet im Moment monatlich 2475 Dollar. Für 74 Quadratmeter. Und es ist wahrlich nicht luxuriös. Die angegebene Miete gilt nur für die ersten drei Monate und überhaupt wird nur ein sechsmonatiger Mietvertrag angeboten. Da muss man also die nächsten Erhöhungen schon einpreisen.
Seit ein paar Wochen fluten sie zu Hunderten jeden Dienstag die Stadtratssitzung - fordern eine Mietpreiskontrolle. Es sind die Putzfrauen, Kassiererinnen, Gärtner der Stadt. Meistens Latinos, selten Englisch sprechend, die allermeisten haben Schulkinder. Sie haben das Gefühl: Wir sind hier nicht mehr erwünscht. Der Stadtmanager Dan Rich vertröstet sie: “Im November werden wir eine extra Sitzung nur zum Mietthema machen.” - Sie antworten: “Bis dahin sind wir alle längst zwangsgeräumt.”
Google’s Heimatstadt hat schon signalisiert, man werde nicht direkt eingreifen in den Mietstreit. Hauseigentümer und deren Anwälte haben eine starke Lobby hier - die Tech-Companies, allen voran Google, stellen immer mehr Leute zu astronomischen Gehältern ein. Und die brauchen immer mehr Wohnungen und Häuser und sind bereit, jeden Preis zu zahlen. Ein Mittelklasse-Einfamilienhaus in Mountain View - der klassische amerikanische Holzbau, keine Villa!, kein Pool! - kostet im Moment mindestens 4000 Dollar im Monat.
Und ringsherum im Silicon Valley der gleiche Jammer. In Cupertino (Apple), Menlo Park (Facebook), Palo Alto (Stanford University) - überall ist Wohnen für Menschen außerhalb der Tech-Branche schier unbezahlbar geworden. Es heißt, Hunderte sollen schon in ihren Autos schlafen.
Immer Donnerstags abends treffen sie sich in einem Park in Mountain View: Um die fünfzig Familien kommen immer, jedes Mal sind Neue dabei. Meist haben sie ihre Räumungsankündigung dabei, manche weinen. Wer sie interviewen will und kein Spanisch spricht, dem hilft Evan Ortiz spontan als Übersetzer. Überraschung: Der junge Volunteer arbeitet selbst bei Goolge. Warum macht er das, übersetzen, anwaltliche Hilfe organisieren und so fort? “Ich bin Techie und ich bin selbst spanischstämmig - also gehöre ich irgendwie auf beiden Seiten dazu. Es ist kein Schuldgefühl, aber man muss es etwas tun. Ich denke, jeder sollte das Recht haben, in dieser Stadt zu leben.” Auf die Frage, wer Schuld ist an der Mietkriese in Mountain View sagt Ortiz: “Google leitet nicht die Stadtverwaltung. Die Stadtverwaltung leitet die Stadtverwaltung."
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