Partytalk in San Francisco: Die Eizellen auf Eis legen - für später. Sie sind Mitte 20, top ausgebildet und auf dem Karrieresprung bei einem Startup oder Tech-Konzern: Junge Frauen im Silicon Valley. Jetzt schwanger werden geht nicht. Also verschieben sie das Baby einfach. Dr. Aimee hilft ihnen dabei. Ihre Egg-Freezing-Partys sind the place to be in San Francisco. Ein ärztliches Beratungsgespräch der anderen Art - die erste Minute hier im Video:
Amy Allen ist 24 und Medizinstudentin. In ein paar Jahren möchte sie eine erfolgreiche Radiologin sein. Ach ja, und ein Kind möchte sie auch. Irgendwann, aber keinesfalls vor Mitte 30. Im Moment wäre die Babypause für sie ein Karrierekiller: „Ich bin in der rush hour meines Lebens“, sagt Amy, die schöne Rothaarige. Damit es eines fernen Tages, wenn sie sich bereit dazu fühlt, Mutter zu werden, dann auch wirklich klappt, will sie vorsorgen. Deshalb ist sie heute abend hier: Auf einer Egg Freezing-Party.
"Ich denke tatsächlich darüber nach, meine Eier einfrieren zu lassen“, erzählt mir Amy. „Das ist doch eine tolle Chance für uns junge Frauen, uns jetzt erst mal um unseren Beruf zu kümmern und die Kinder dann zu kriegen, wenn es besser passt.“
Es sind etwa 30 junge Frauen, die sich online angemeldet haben und ins „Piperade“, ein Restaurant am Pier von San Francisco, gekommen sind. Das ABC Fernsehen ist da, das TIME Magazine auch. Nur sechs der Mädchen wollen nicht gefilmt werden. Es gibt Wein, es gibt Appetizer und es gibt vor allem wenig Scham. Dr. Aimee Eyvazzadeh hat eingeladen, man nennt sie im Silicon Valley auch „the Egg Whisperer“, die „Ei-Flüsterin“. „95% meiner Patientinnen über Vierzig sagen mir, dass sie wünschten, sie hätten ihre Eier eingefroren, als sie in ihren 30ern waren.“, begrüsst Dr. Aimee ihre Gäste.
Es ist bereits ihre dritte Egg Freezing Party, wieder ausgebucht. Demnächst macht sie Party in Los Angeles und Washington. Auf die Idee kam die Kinderwunsch-Spezialistin, weil sie genervt war von allzu vielen Tupperware-Partys, erzählt sie mir in ihrer Praxis in San Ramon, auf der anderen Seite der Bucht. "Wir haben hier in den USA so viele Partys, die nur für Frauen veranstaltet werden. Bei so einer Ladies night out geht’s immer darum, dir was zu verkaufen: Jeans, Taschen, Schmuck oder Küchenkram und auch ich kriege andauernd diese Einladungen. Aber wenn ich dann da hingehe, wollen immer nur alle mit mir übers Kinderkriegen reden. Und weil das zufällig auch das ist, worüber ich am liebsten rede, dachte ich mir: Ich will nicht mehr Gast auf diesen Partys sein - ich will meine eigene Party geben und da über Fruchtbarkeit reden!“
Eizell-Konservierung mit Prosecco-Laune – Eine Party wie die in San Francisco ist in Deutschland schwer vorstellbar. Erst im Oktober war die mediale Aufregung hierzulande gross, als Facebook und Apple bekanntgaben, dass sie ihren Mitarbeiterinnen die immensen Kosten für Egg freezing (auch social freezing genannt) künftig erstatten wollen. Doch wie sehr dürfen Unternehmen den Kinderwunsch ihrer Mitarbeiterinnen steuern?
In Kalifornien hat Dr. Aimee ein paar Powerpoint-Charts mit ins Restaurant gebracht, um zu erklären, wie das Ei ins Eis kommt. Wenn eine potentielle Kundin zu ihr in die Praxis kommt, prüft die Ärztin als Erstes mit einem einfachen Test: Wie gut sind die Eizellen der Patientin noch? „Und dann sage ich Ihnen voraus: 'Wir kriegen 14 Eier von Ihnen oder ich sage: 'Von Ihnen 3 Eier'. Und diese Vorhersagen treffen sehr oft zu, ich bin ziemlich gut darin, das bedeutet, die Zahl, die ich Ihnen prognostiziere, die kriegen wir dann mit grosser Wahrscheinlichkeit auch.“
Die eigentliche Behandlung verläuft anfangs wie bei einer Kinderwunschbehandlung. Die Kundin muss sich selbst regelmäßig spritzen, um ihre Eierstöcke zu stimulieren. Per Ultraschall wird kontrolliert, wie viele Eizellen heranreifen, die dann in einem ambulanten Eingriff entnommen werden. Und schliesslich das eigentliche Egg Freezing: Die Eizellen werden bei minus 196 Grad Celsius in flüssigen Stickstoff getaucht. So kryokonserviert können sie theoretisch über Jahrzehnte gelagert werden. Kommt die Kundin dann eines Tages wieder in die Praxis – vielleicht, weil sie endlich den richtigen Mann gefunden und/oder sich inzwischen beruflich nach oben gearbeitet hat und sich nun reif für ein Kind fühlt – kann sie die Eizellen wieder auftauen, im Reagenzglas befruchten und sich wieder einsetzen lassen. Und wird schwanger. Wenn alles gut geht.
Experten berechnen pro aufgetauter Eizelle eine Geburtenrate von ca. 8%. Deshalb macht Egg Freezing vor allem Sinn, wenn die Frau ihre Eizellen-Reserve möglichst jung anlegt. Denn dann sind die Chancen, in ein bis zwei Stimulationszyklen mindestens zehn bis fünfzehn Eizellen zu gewinnen, am besten. Das Problem: Die jungen Frauen sind meist nicht die, die über diese Art der Eizell-Vorratslagerung wirklich nachdenken. Es kommen die, die ihre biolgische Uhr schon laut ticken hören, erzählt mir Dr. Aimee in ihrer Praxis:
Generell gilt: Je älter die Frau beim Wiedereinsetzen der aufgetauten, befruchteten Eizelle, desto höher das Risiko für Mutter und Kind während einer Schwangerschaft.
Ana Anders ist so was wie das Testimonial dieser Egg freezing-Party. Die 36 jährige Unternehmerin ist in der 18. Woche schwanger, nachdem sie sich von Dr. Aimee Eizellen entnehmen, einfrieren und wieder einsetzen lies. „Ich hatte meinen MBA sehr jung, bekam dann gleich einen richtig guten Job und heute bin ich selber Unternehmerin. Da vergisst Du, wie die Zeit vergeht und denkst: 'Ach, schwanger kann ich doch jederzeit werden.' Ich bin heute Abend hier, um die jungen Frauen zu ermutigen, für ihren Kinderwunsch vorzusorgen, bevor es zu spät ist.“
Dr. Aimees momentan älteste Patientin ist 49 Jahre alt. „Ich würde einer Frau bis maximal 51 Jahre ihre aufgetauten Eizellen wieder einsetzen. Ich verstehe die Negativ-Diskussion zu diesem Thema nicht. Nur, weil die Eierstöcke einer Frau schon etwas älter sind, heisst das doch nicht automatisch, dass sie keine Energie mehr hat, einem kleinen Kind hinterher zu laufen.“
Das Konzept von Aimee Eyvazzadeh passt auffallend gut zum neuen Angebot von Facebook und Apple. Offizielle Zahlen, wie viele Frauen diesen Benefit, diese Lohnzusatzleistung bisher in Anspruch genommen haben, gibt es nicht. Und auch keine Zusammenarbeit mit Dr. Aimee: "Ich habe keinen Deal mit Apple oder Facebook und ich berate sie auch nicht.“
Eizellen einfrieren ist teuer, spätestens jetzt ist Schluss mit Partytalk. „Wenn so ein Ei irgendwann wirklich zu einer Schwangerschaft führen soll, dann reden wir über 35 000 Dollar.“, macht sie ihren potentiellen Kundinnen im Restaurant klar. “10 000 Dollar, um die Eier einzufrieren, plus Medikamente, dazu die Kosten für die Lagerung, das Auftauen, die Invitro-Befruchtung, die Gentests und dann den Transfer.“ Manche der jungen Frauen machen sich Notizen.
Es ist die Ei-Versicherung, die hier verkauft werden soll. Wissenschaftlerin Diane Tober von der University of California ist aus rein beruflichem Interesse auf der Party. Sie bleibt skeptisch: „Hier im Silicon Valley gibt es ein riesiges Vertrauen in die medizinische Technologie. Aber ob das all unsere Probleme löst? Klar, du denkst, 'Meine Eier sind eingefroren, ich kann sie nutzen, wann immer ich will', aber dann kann es trotzdem passieren, dass Du nicht schwanger wirst. Dann hast du all das Geld in diese Behandlung investiert und die Technologie versagt.“Die Forscherin ist auch nicht der Meinung, dass Egg Freezing für Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen sorgt: „Ich denke eher, solche Angebote verstärken nur den Druck auf die Frauen.“
Dr. Aimee will wissen, ob es noch Fragen gibt. „Wenn ich mal umziehe und den Arzt wechseln muss, kann ich dann meine eingefrorenen Eizellen mitnehmen?“, fragt Sharon, 28. - „Natürlich!“, beruhigt die Gastgeberin. Am Ausgang warten schon die Give away-Taschen, darin die Information: Jede Frau, die sich nach der Party für eine Egg Freezing-Behandlung entscheidet, bekommt bei Dr. Aimee zehn Prozent Rabatt.
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